„Setzen, Sechs!“

Die Abschaffung der Ehrenrunde als Chance?

Es ist wieder mal soweit! Die Diskussion um das Sitzenbleiben wurde durch die rot-grüne Koalition in Niedersachsen endlich wieder entzündet. Die Bundesländer streiten.

Bayerns Kultusminister Ludwig Spaenle sagt in der Süddeutschen Zeitung (Februar 2012), die Abschaffung des Sitzenbleibens sei „blanker Unsinn und pädagogischer Populismus.“

In Hamburg wird das Sitzenbleiben seit 2011 stufenweise abgeschafft, in Niedersachsen gibt es an den integrierten Gesamtschulen ebenfalls keine „Ehrenrunden“ mehr und das mit Erfolg – die niedrigste Schulabbrecher-Quote überhaupt spricht für sich!

Sitzenbleiben ist – wie so viele schulische bzw. pädagogische Fragen – ein Thema, bei dem Eltern, Lehrer, Neurobiologen, Erziehungswissenschaftler und der Otto Normalverbraucher mitreden können, wollen und sollen. Wem schadet oder nutzt das Sitzenbleiben? Wem kostet es etwas?

Sitzenbleiben ist altmodisch! An Schulen legen wir vermehrt Wert auf das individualisierte, selbstgesteuerte Lernen. Schülerinnen und Schüler haben die Gelegenheit sich Fachwissen auf unterschiedlichen Niveaustufen anzueignen und z. B. in ihrem eigenen Tempo lernen zu können. Eigentlich sollte niemand sitzen bleiben müssen!

Sitzenbleiben bremst die Motivation! Orientiert man sich an dem Neurobiologen Joachim Bauer, so ist die höchste Motivationsdroge der Mensch selbst. Beziehungen, soziale Netzwerke können uns dazu animieren Höchstleistungen zu erbringen. Was passiert mit dem Achtklässler, der aus seinem sozialen Gefüge gerissen wird, weil er in einem Schulfach die Note „6“ erhält?

Sitzenbleiben ist teuer! Aus der Bildungsstudie (2009) des Bildungsforschers Klaus Klemm, der durch die Bertelsmann-Stiftung beauftragt wurde, wissen wir, dass die Ehrenrunden jährlich etwa eine Milliarde Euro kosten …

Unsere Aufgabe als Pädagogen ist es den Schüler bereits bei dem ersten Anzeichen von fachlichen Schwierigkeiten, bei Motivationsdefiziten oder auch Problemen im Bereich des Lernmanagements zu unterstützen. Soweit die Idealvorstellung!

 „Setzen, Sechs – liebes Schulsystem?!“

Wie viel Zeit bleibt uns Lehrerinnen und Lehrern überhaupt tagtäglich im System Schule, um Lernende individuell zu beraten, zu fördern und zu fordern? Wie können wir individualisiert unterrichten und die Leistungsbereitschaft eines Lernenden fördern, wenn der Lehrer teilweise bis zu 30 Schülerinnen und Schüler in einer Klasse unterrichtet? Wo werden Ressourcen geschaffen, um selbstwirksam und individuell lehren sowie lernen zu können?

Die neue Landesregierung in Niedersachen will also das Sitzenbleiben abschaffen! Als Lernexpertin find ich das gut, vorallem wenn das dadurch gesparte Geld reinvestiert wird – reinvestiert in individualisierten Unterricht und individuelle Förderung. Damit ist sicher nicht Nachhilfe gemeint, die letztendlich wieder nur im Bereich der Fachkompetenz ansetzt.

Investitionen in Lerncoaching und die Erweiterung der schulischen Ressourcen (personell, zeitlich, räumlich) wird sich auszahlen. Unterricht in Lehrerteams, Lerncoaches an jeder Schule und mehr zeitliche Ressourcen für Lehrkräfte, um individuell unterrichten zu können. Die Schülerinnen und Schüler werden davon profitieren. Sie werden gefördert, aufgefangen, in ihrer Selbstwirksamkeit unterstützt. So werden wir das Sitzenbleiben nicht vermissen!

Hanna Hardeland ist Lerncoach und Karriereberaterin.

Ihr Buch „Lerncoaching und Lernberatung. Lernende in ihrem Lernprozess wirksam begleiten und unterstützen.“ erscheint demnächst im Schneider Verlag Hohengehren.


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